Tim | 17.09.2019
80 Jahre Batman: Eine Ikone unserer Zeit
Eine junge Familie verlässt das Theater. Kurz darauf fallen zwei Schüsse. Cut! Der Joker sitzt im Verhörraum, sein Make-up wild verschmiert. Hinter ihm schält sich ein Schatten von der Wand. Cut! Bane hält einen reglosen Körper in die Luft. Lässt ihn mit voller Wucht auf sein Knie prallen. Cut! Jim Gordon steht auf dem Dach des Gotham City Police Departments. Am Himmel leuchtet das Batsymbol. Cut! Der Dunkle Ritter kniet am Boden, in seinen Armen den regungslosen Jason Todd.
In 80 Jahren hat uns Batman unzählige ikonische Momente beschert. Egal ob aus den Comics, aus Serien, aus Videospielen oder großen Kino-Blockbustern: Jeder kennt den Dunklen Ritter. Und heute huldigen wir der vielleicht berühmtesten Comicfigur der Welt, analysieren seinen Werdegang und wagen einen kurzen Blick in die Zukunft.
Ein Held im Wandel
Dass ihre Comicfigur mal so bekannt werden würde, haben die Erschaffer Bill Finger und Bob Kane bestimmt nicht gedacht, als sie 1939 “The Case of the Chemical Syndicate” für die 27. Detective Comics-Ausgabe zu Papier brachten. Doch dieser neue Held, der ursprünglich mal Birdman heißen sollte, avancierte schnell zum Liebling der Comicfans.
Schon 1940 bekam Batman seine eigene Comicreihe spendiert. Beim Design ließ sich Bob Kane von Superman, Zorro, einer Leonardo da Vinci-Zeichnung und dem Film The Bat Whispers inspirieren. Der letzte Sohn Kryptons spielt aber die größte Rolle bei der Entstehung. Denn in der sogenannten Goldenen Comicära, also den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts, war Batman vor allem ein Kontrapunkt zu Superman. Er hatte im Gegensatz zum damals beliebtesten Comichelden keine Superkräfte, handelte nicht aus Edelmut oder anderen Motiven. Nein, Batman war seit jeher von Rache getrieben und stand für eine düsterere, eine vielschichtigere Welt. Was wohl der Hauptgrund für seinen Erfolg sein dürfte.
In der Silbernen Ära (50er und 60er Jahre) wurden seine Geschichten abgedrehter. Er kämpfte an der Seite von Superman gegen Aliens, mehr und mehr Sci-Fi-Elemente bahnten sich ihren Weg in die Geschichten des nicht mehr ganz so dunklen Ritters. Alles wurde weniger gewalttätig, dafür aber umso fröhlicher, ja, teils schon peinlich lustig. Erst in der Bronzenen Ära zur Zeit der 70er Jahre kehrte man langsam zu den Wurzeln zurück. Es sollte aber bis in die späten 80er Jahre dauern, bis sich Batman wieder auf den Thron der Comichelden setzen durfte. In der Dark and Gritty-Ära sorgte allen voran Frank Miller für einen düsteren Neuanfang und etablierte mit Geschichten wie Year One und The Dark Knight Returns ein ganz neues Bild des berühmten Vigilante, das sich weitgehend bis heute hält.
Batman war immer relevant. Auch weil er sich dem Zeitgeist anpasste. Seine Wandlungsfähigkeit beschränkt sich dabei nicht auf die Comics, sondern wird in jedem Medium ersichtlich, vielleicht am meisten in den Filmen und Serien: Vom klamaukigen Adam West, der einen Einbruchsverhinderungsversuch abbricht, weil das Batmobil im Parkverbot steht, hin zum depressiven Ben Affleck, der Superman vernichten will, wenn es eine einprozentige Chance gibt, dass dieser böse sein könnte.
“Batman ist Hamlet”
John Saavedra von Den of Geek befragte Experten nach ihrer Meinung zu Batmans anhaltender Beliebtheit. Den Anfang macht Kevin Conroy, der den Dunklen Ritter in diversen Filmen, Serien und Spielen vertonte. Dabei war sich Conroy anfangs gar nicht sicher, ob er den Job annehmen sollte. Schließlich hatte er eine klassische Theaterausbildung, sollte er da wirklich diese komische Fledermausfigur vertonen? Am Ende war es jedoch gerade Conroys berufliche Vergangenheit, die ihn zusagen ließ. Denn er hatte eine Erkenntnis.
“Batman ist eine Theaterfigur. Hier geht es um ganz klassische Dramen. Batman ist Achilles. Er ist Orestes. Er ist Hamlet.” Tatsächlich nennt Conroy die griechische Figur Orestes als seine Hauptinspiration, da dieser ebenfalls den Tod seines Vaters rächen möchte und im Verlauf der Geschichte immer wahnsinniger wird. Er geht durch die Hölle, um seinen Rachedurst zu stillen. Genau das passiert auch Batman: “Er kommt aus dem Feuer, doch anstatt sich vom Leben zerstören zu lassen, kanalisiert er seine Wut und erschafft etwas, das größer ist als er selbst […] Eine Geschichte, die seit tausenden Jahren erzählt wird.”
Scott Snyder, der unter anderem die hochgelobte Reihe Court of Owls geschrieben hat, sieht es ähnlich, stellt aber Batmans Nahbarkeit in den Fokus. Für ihn ist es eine Geschichte über einen Jungen, dem Schlimmes widerfährt und der danach dafür sorgt, dass so ewas niemand anderem passieren kann. “Es geht darum, seine eigenen Ängste, seine größten Tragödien zu überstehen und diesen Verlust in einen Gewinn zu verwandeln.” Snyder merkt aber an, dass es bei allen großen Themen nicht nur den düsteren, ernsten Batman gibt. Der Charakter hätte keine 80 Jahre überstanden, wenn es keine spaßigen Elemente gäbe. Dazu zählt er vor allem die verrückten Gadgets, die Autos, die Flugzeuge. Eben das Erwachsenenspielzeug.
Künstler Bruce Timm nennt einen viel simpleren Grund für Batmans anhaltende Beliebtheit: “Er sieht großartig aus. Er hat vielleicht das beste Comickostüm überhaupt.” Auf sein Aussehen will Timm ihn aber nicht reduzieren. Es ist insbesondere Batmans Flexibilität, die ihn interessant macht. Batman funktioniert in jedem Genre, es gibt keine “richtige” Interpretation. Er funktioniert in einer Comedy wie der Adam West-Serie, er funktioniert in einem düsteren Drama wie den Frank Miller-Geschichten. Western? Sci-Fi? Crime? Samurai? Horror? Liebesgeschichte? Hat Batman alles schon gemacht. Und es hat immer funktioniert.
Wette nie gegen den Dunklen Ritter
Zeiten ändern sich. Helden kommen und gehen. Die aktuelle Flut an Superhelden-Filmen wird nicht für immer anhalten. Andere Themen, neue Figuren werden sie ersetzen, zumindest was ihren Platz auf dem Thron der Popkultur angeht. Werden wir also in 80 Jahren überhaupt noch über Batman sprechen? Mit Sicherheit! Der Dunkle Ritter wird sich entwickeln, neue Gestalten annehmen. Er wird vielleicht nicht immer an erster Stelle stehen, aber die Figur wird überdauern.
Was die Comics betrifft, mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Hier ist Batmans Vielfalt mit Abstand am größten, die Autoren lassen sich immer wieder etwas Neues einfallen. Zuletzt mit White Knight, wo Batman und der Joker die Rollen tauschen. Was Filme und Serien betrifft, wird es, wie immer, Höhen und Tiefen geben. Aber an spannenden Projekten mangelt es nicht. Im Oktober erscheint Joker mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle und verspricht ein anspruchsvolles Psychodrama. Batmans nächster Solofilm ist auch längst in Arbeit, auf dem Regiestuhl sitzt Matt Reeves, dem wir zutrauen, dem Dunklen Ritter neue Facetten hinzuzufügen. Und wir zumindest sind sehr gespannt auf die Interpretation von Robert Pattinson.
Egal was kommt, man sollte niemals gegen Batman wetten. Egal ob im Comic, im Film oder in der echten Welt: Er steht immer wieder auf. Und gewinnt am Ende. Auf die nächsten 80 Jahre.