01.02.19

Shipping: Die dunkle Seite der Fandoms

Wer seine Geschichten liebt und voll in seinem Fandom aufgeht, der lässt nicht unbedingt einen Stein so auf dem anderen, wie es sich der Autor oder Regisseur vorstellt. Wir leben in Welten, wie sie jeder für sich in seinem Kopf erlebt hat. Und so mancher flechtet die eigenen Vorstellungen und Wünsche in das Material ein: Ein Charakter überlebt, ein anderer stirbt. Ein Handlungsstrang wird gestrichen, ein anderer hinzugefügt. Das wohl heißestes Thema in diesem Zusammenhang aber sind: Shippings! Abgeleitet von Relationship geht es hier nicht um Paketversand, sondern – welch Überraschung – um die Liebesbeziehungen bestimmter Charaktere. Kaum ein Fan-Thema ist so breit gefächert, also begeben wir uns hinab in seltsame und manchmal gruselige Tiefen.

Wer wird geshippt und warum?

Die Frage lässt sich leicht beantworten: So gut wie jeder wird mit allem geshippt. Und das aus jedem nur erdenklichen Grund. Da das aber zu allgemein klingt, tasten wir uns nach und nach heran. Charaktere finden zusammen, wenn der Fan es so möchte und an deren Beziehung glaubt. Naheliegend ist das Shipping zwischen Freunden. Wenn sich die Figuren nahestehen, ist es ein Leichtes, ihre Verbindung noch zu vertiefen. Zum Beispiel bei Harry Potter: Viele Fans finden das Ende mit Ron und Hermine nicht so prickelnd, warum also nicht Harry und Hermine shippen? Beide sind enge Freunde, bei Muggeln aufgewachsen und durften einige persönliche Momente miteinander verbringen. JK Rowling selbst meinte mal: “In gewisser Weise passen Hermine und Harry besser zusammen. Das habe ich selbst gemerkt, als ich [Heiligtümer des Todes] schrieb und Harry mit Hermine alleine im Zelt war.”

Neben Freunden sind Rivalen ein oft gewähltes Shipping. Dafür verlassen wir Hogwarts – obwohl dort Drarry (Draco x Harry) super beliebt ist – und schauen auf die Ninja-Akademie. Obwohl Naruto und Sasuke sich ständig übertrumpfen wollen, macht sie gerade das für einige Fans als OTP (Only True Pairing) interessant. Immerhin teilen die beiden schon in der dritten Folge ihren ersten Kuss, wenn auch nicht ganz geplant. Aber gerade solche Momente regen die Fantasie der Leser und Zuschauer extrem an.

Sasunaru (Sasuke x Naruto) steht sinnbildlich für einen sehr verbreiteten Shipping-Grund: Viele Fans wünschen sich mehr homosexuelle Paare. Wir leben im dritten Jahrtausend, da kann man mit Homo-, Bi-, Pan- oder anderen Sexualitäten eigentlich ganz offen umgehen. Zumindest theoretisch, denn tatsächlich gehen nicht-hetero Charaktere in vielen Büchern, Filmen und Serien komplett unter. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen stellt das Thema gerade im Kinderfernsehen ein Problem dar. Warum eigentlich? Viele Kinder merken schon recht früh, dass sie sich als Jungs doch mehr für Jungs oder als Mädchen mehr für Mädchen interessieren, trotzdem wird das als Tabu behandelt. Als etwa am Ende von Die Legende von Korra unsere neue Avatar mit ihrer Freundin Asami in die Geisterwelt übergeht, meldeten sich viele Stimmen, wie man Kindern so etwas zumuten könne. Naja, bis solche Geschichten für die Allgemeinheit okay sind, müssen eben das Internet und entsprechende Shippings herhalten.

in schrägere Abzweigung geht den Weg des Inzests. Da ich selbst ein großer Bruder bin, kann ich die Inzest-Fantasie nicht nachvollziehen, aber für andere machen vor allem Geschwister die OTPs aus. Gerade Game of Thrones heizt das Thema ordentlich an, hier gelten Cersei und ihr Bruder Jaime als das Traumpaar schlechthin! Klar, bei Game of Thrones spielt die Beziehung schon in der Vorlage eine wichtige Rolle. Wenn es um Shippings geht, werden aber auch Geschwister miteinander verknüpft, die sich sonst nie anrühren würden. Bestes Beispiel sind die Winchester-Brüder Sam und Dean aus Supernatural. Nun ja, die beiden haben eh eine enge Bindung, dazu ihr nicht zu verachtendes Äußeres … da kommen Damen wie Herren scheinbar auf komische Ideen.

Bei Shippings geht es aber nicht nur um unschuldiges Händchenhalten. Gerade im Bereich der Fan-Fictions, Fan-Art und Doujinshi geht es … sagen wir, deutlich handfester zu. Die Schauspieler oder animierten Charaktere sind so heiß, dass sie scheinbar die schmutzige Fantasie auf Hochtouren bringen. Und damit wären wir bei einem weiteren Grund, warum es bestimmte Shippings gibt: Die Shipper finden “ihre” Jungs und Mädels so geil, dass sie einfach mehr von dem sehen wollen, was sie im normalen Canon nicht bekommen.

Fan-Fiction, Fan-Art und Doujinshi

Shipping ist nicht nur private Kopfsache sondern eine eigene Kunstform! Mit jeder Menge Möglichkeiten, die eigenen Fantasien mit anderen zu teilen. Die Basis bilden Fan-Fictions: Wie der Name erahnen lässt, schreiben Fans ihre Vorstellungen nieder und veröffentlichen ihr Werk im Anschluss online – wo sich ganz neue Fangemeinschaften bilden! Wer auf Shippings, aber nicht so sehr das geschriebene Wort steht, der wird bei Fan-Arts fündig. In ihren Bildern lassen die Künstler ihrer Fantasie freien Lauf und zeigen ihre Lieblingscharaktere in allen möglichen (und unmöglichen) Situationen: Bei einem Ausflug auf den Jahrmarkt, in einer innigen Umarmung, bei einem romantischen Kuss und, ja, auch in harten, nicht jugendfreien XXX-Szenen. Und damit wären wir beim Doujinshi.

Doujinshi sind gezeichnete Fan-Geschichten. Hier werden Comics und Manga von meist nichtprofessionellen Zeichnern verfasst und meist online gestellt. Sie greifen zwar auf bekannte Charaktere zurück, zählen aber nicht offiziell zum Canon. Die erotische Variante davon sind Hentai, und hier gibt’s wiederum die Unterkategorien Yaoi und Yuri. Beide stehen für gleichgeschlechtliche Liebe, wobei sich Yaoi um die Jungs kümmert, Yuri um die Mädels. Wer es sanfter angehen möchte, kann bei den deutlich weniger expliziten Shonen Ai (Jungenliebe) verweilen. Eine dunklere Ecke von Hentai befasst sich dabei auch mit Shotacon und Lolicon, die sich jeweils mit kleinen Jungs oder kleinen Mädchen befassen.

Hierzulande dürfen solche Geschichten aufgrund der rechtlichen Lage nicht verkauft werden. In Japan aber sieht das ganz anders aus! Dort finden ganze Messen um das Thema statt, die größte ihrer Art ist der Comic Market, kurz Comiket. Hier dürfen die Zeichner ihre Doujinshi ganz offiziell verkaufen. Mehr noch, die Manga-Verlage suchen hier sogar nach Nachwuchstalenten. Davon dürfen wir in Deutschland bisher nur träumen.

Shipping als Teil des offiziellen Canon?

An den Machern der offiziellen Vorlagen ist natürlich nicht vorbeigegangen, welche Fanbewegungen heute stattfinden. Anstatt dagegen vorzugehen, fördern sie die Shipping-Community regelrecht! So manche Paarung wirkt beinahe wie Fan-Service, How I Met Your Mother zum Beispiel hat diese Karte perfekt ausgespielt! Die ganze Serie beschäftigt sich mit der Frage: Wer kommt mit wem zusammen und wer wird Teds Frau? Dabei sind die Produzenten auch auf Fanwünsche eingegangen und haben mit verschiedenen Paarungen experimentiert, bestimmte Damen wiederkehren und manche austreten lassen.

Die Animationsserie South Park beschäftigte sich in der Folge Tweek x Craig ganz explizit mit dem Thema Yaoi. Hier steht das Pairing zwischen Tweek Tweak und Craig Tucker im Vordergrund. Damit das Ganze auch authentisch wirkt, haben die South Park-Macher Trey Parker und Matt Stone die Shipping-Community aufgerufen, ihre Fan-Arts einzuschicken! Diese verteilen sich quer durch die gesamte Folge, ganz South Park ist im Yaoi-Fieber und shippt die beiden Jungs. Auch Die Simpsons binden ihre Zuschauer direkt ein, wenn es um Liebesfragen geht. Nach Mauds Tod hat Ned Flanders zwar noch seine Söhne, trotzdem fehlt eine Frau an seiner Seite. Und eine Dame hat es ihm besonders angetan: Grundschullehrerin Edna Krabappel. Da man aber nicht wusste, wie die Fans auf die Beziehung reagieren würden, ließ man das Publikum zum Ende der 22. Staffel abstimmen! Und ja, die Mehrheit sprach sich für “Nedna” aus.

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