11.09.15

Früher war alles besser: Die Rückkehr der praktischen Effekte

Es geht ein Ruck durch die Filmindustrie – naja, zumindest ein kleiner. Gemeint ist ein Mini-Trend, der gerade bei Film-Fans der älteren Generation für leuchtende Augen sorgt: Die Rückkehr zu sogenannten Practical Effects, also Spezialeffekten, die nicht aus dem Computer stammen. Der Beleg dafür sind gleich drei große Blockbuster, die im Jahr 2015 mit ihren praktischen Effekten für Aufsehen sorgen, namentlich Mission Impossible: Rogue Nation, Mad Max: Fury Road und natürlich Star Wars VII: Das Erwachen der Macht. Viele Fans freuen sich über diese Entwicklung und hinterfragen direkt die letzten zwanzig Jahre, in denen der Computer die Herrschaft über Kinoleinwände auf der ganzen Welt an sich riss. Aber sind praktische Effekte tatsächlich besser als Computereffekte? Ist CGI etwas Schlechtes? Und hat der aktuelle Trend Zukunft?

Rückkehr zu den Wurzeln oder Marketinginstrument?

Beginnen wir mit einer kurzen Analyse der genannten Großproduktionen und warum sie eine so gute Werbung für klassische Effekte abgeben. Da hätten wir zunächst Mission Impossible, wo extrem gefährliche Stunts im Vordergrund stehen. Hauptdarsteller Tom Cruise führte alle seine Actionszenen in bester Jackie Chan-Manier aus: nämlich selbst. Die Schlüsselszene ist ohne Frage das startende Flugzeug, an dem Cruise tatsächlich hängt. Der Mann hat wortwörtlich sein Leben riskiert, um den Kinogängern ein einmaliges Erlebnis zu ermöglichen — mit Erfolg, wenn man sich die Einspielergebnisse anschaut! Schon im Vorgänger sorgte er für Aufsehen, indem er am höchsten Gebäude der Welt herumkraxelte, dem Burj Khalifa. Bei Mad Max gibt es auch viele echte Stunts, hier steht aber mehr die Inszenierung, die Choreografie und das Artdesign im Mittelpunkt. Es ist einfach Wahnsinn, was für diesen Film alles umgesetzt wurde — alleine die Feuer-E-Gitarre hat einen Oscar verdient. Last but not least wäre da noch Star Wars VII, das enorm viel Wert auf echte Sets und Kostüme legt, ganz wie anno dazumal, als George Lucas die klassische Trilogie drehte.

Bleiben wir bei Star Wars: Der Fokus auf praktische Effekte und echte Sets ist nicht (oder besser: nicht nur) dazu gedacht, dem Film eine zeitlose Optik zu spendieren. Es ist vielmehr eine Mischung aus Fan-Service und cleverem Marketing. Schließlich sind aus heutiger Sicht nicht wenige Star Wars-Jünger enttäuscht von der Prequel-Trilogie, die zu stark auf Greenscreens und Computereffekte setzte und damit sehr steril wirkte. Dementsprechend überrascht es nicht, dass Disney für Das Erwachen der Macht einen ganz anderen Weg einschlägt und ganz auf nostalgische Gefühle setzt. Das gelingt auf zwei Arten: Mit den Schauspielern aus den Episoden IV bis VI und eben über die Rückkehr zu Dreharbeiten, wie sie heute nicht mehr gang und gäbe sind. Bislang geht die Rechnung auf: Als Episode VII angekündigt wurde, war die Stimmung unter den Fans geteilt, um es vorsichtig auszudrücken. Die Erwartungen waren zu 50 Prozent so riesig wie die weit, weit entfernte Galaxis und zu 50 Prozent extrem negativ, weil man von Disney einen kindergerechten Familienfilm mit Mickey Maus und Co erwartete. Das Projekt schien fast schon zum Scheitern verurteilt. Erstaunlich, wie stark die Stimmung in so kurzer Zeit kippte, mittlerweile gehen Analysten davon aus, dass Star Wars VII der erfolgreichste Film aller Zeiten werden könnte! Die Macht ist mit Disney.

CGI vs Practical Effects

Sind praktische Effekte besser als solche aus dem Computer? Die Frage kann man kaum pauschal beantworten, denn im Endeffekt (hihi) ist es ganz egal, wie groß das Spektakel, wie beeindruckend die Explosionen oder wie lebensecht eine fantastische Welt auf der Leinwand rüberkommt. Nichts davon macht einen Film zwangsläufig besser! Ein Film ist nur dann großartig, wenn die Geschichte mitreißt und die Charaktere glaubwürdig sind. Und das geht auch ohne Bombast-Faktor, allerdings müssen wir zugeben, dass Effekte diese Punkte sehr gut unterstreichen können. Die ausgeschriebene Aufgabe von Effekten ist aber, einen Film und seine Geschichte zu unterstützen. Klassiker wie Star Wars, E.T. oder auch Indiana Jones zeigen, dass Filme auch dann unterhalten, ja, gar an den Bildschirm fesseln, wenn die Effekte nicht state of the art sind. Und bei der Aufgabe, einen Film zu unterstützen, sind praktische Effekte und CGI gleichermaßen geeignet (zumindest aus heutiger Sicht, mehr dazu gleich).

Echte Explosionen, Stunts, Kostüme und Sets sind also nicht per se besser als ihre digitalen Gegenstücke. Schlechter sind sie auch nicht. Sie sind anders, fühlen sich je nach Situation anders an als CGI. Mittlerweile sind wir aber an einem Punkt, wo der Zuschauer häufig nicht weiß, wann er echte Dinge und wann computergenerierte Szenen sieht. Tatsächlich ist der Unterschied zwischen den Effektarten hinter der Kamera oft spannender als davor, weil die Dreharbeiten anders funktionieren. Praktische Effekte geben auf jeden Fall das spannendere Making-Of-Material ab, weil die Filmemacher noch kreativ werden müssen. Ganz wie damals, als ein großer Raumschiff-Hangar ein gemaltes Bild oder eine weit entfernte Stadt in der Wüste eine Pappwand waren. Ein gutes Beispiel sind auch die Herr der Ringe-Verfilmungen von Peter Jackson: Hier gab es nicht nur viele Außendrehs, Männer in Kostümen und aufwendige Sets. Nein, Herr der Ringe zeichnet sich auch durch seine geschickte Kameraarbeit aus. Optische Tricks gaukeln dem Zuschauer vor, dass Gandalf riesig ist und die Hobbits klein wie Kinder. Oder nehmen wir den ersten Jurassic Park, der noch heute jeden anderen Dino-Film in die Tasche steckt (ja, auch Jurassic World!). Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Dinos weitgehend echte Modelle waren, die einfach nicht altern. Deswegen sieht der T-Rex heute noch genauso furchteinflößend aus wie 1993. Allerdings verschwindet der große Vorteil des „Nichtalterns“ nach und nach, weil Computereffekte immer besser werden.

Zwischen falsch und glaubwürdig

Dass CGI und praktische Effekte auf Augenhöhe stehen, war nicht immer so. Mittlerweile sind wir aber an dem Punkt, wo Computereffekte perfekt eingesetzt werden können – die Betonung liegt auf können. Fans ärgern sich meist dann über CGI, wenn es nicht gut implementiert wird. Das perfekte Beispiel dafür ist die Hobbit-Trilogie, die nach Meinung einiger Fans zu viel auf Computertechnik setzte und dadurch unnatürlich wirkte. Schnell wurden Vergleiche zu Herr der Ringe gezogen, das zwar weniger opulent war, sich dafür aber „echt“ anfühlte. Das unterstreicht herrlich, dass wir (auffälliges) CGI unterbewusst als falsch wahrnehmen. Simon Pegg brachte es schön auf den Punkt: „CGI ist ein großartiges Werkzeug. Wir alle lieben es, weil es uns unfassbare Dinge ermöglicht. Aber wenn man etwas Digitales sieht, dann gibt es dieses Gefühl von Trennung. Man weiß, dass es nicht echt ist.“ Zur Ehrenrettung muss erwähnt werden, dass auch beim Hobbit viele aufwendige Außendrehs gemacht, Sets gebaut und Kostüme entworfen wurden. Weniger Herzblut hat Peter Jackson definitiv nicht investiert.

Das soll aber nicht heißen, dass Computereffekte schlecht sind. Im Gegenteil, Computereffekte sind genial! Es kommt nur auf die richtige Umsetzung an, vernünftig integriertes CGI ist praktisch unsichtbar und sollte vom Zuschauer nicht groß bemerkt werden. Schaut euch nur das hochgelobte Mad Max: Fury Road an: Bei all den stylischen Autos und echten Stunts vergessen viele, dass von den insgesamt 2.400 Szenen etwa 2.000 aus dem Computer stammen! Ein anderes positives Beispiel ist die HBO-Serie Game of Thrones. Trotz atemberaubender Kulissen und Drehorten in der ganzen Welt stammt mindestens die Hälfte der Serie aus dem Computer. Wer glaubt, dass diese Mischung aus Echtem und Computerbildern erst heute perfektioniert wurde, der ruft sich kurz Forrest Gump in Erinnerung! Auch in den extrem CGI-lastigen Comicverfilmungen gibt es viel Positives zu sehen – und zwar abseits der übertriebenen Action. Die Verwandlung des schmächtigen Steven Rogers zu Captain America etwa ist sehr gelungen und zeigt, dass heute so ziemlich alles an der Grenze zur Perfektion digital nachgebildet werden kann, sogar Menschen. Das Zauberwort bei all dem lautet: Glaubwürdigkeit.

Ausblick: Die nächsten Jahre

Halten wir fest: Praktische Effekte sind eine tolle Sache, die einen Film vor und hinter der Kamera interessanter machen und nebenbei für eine zeitlose Optik sorgen! Von daher gefällt uns die aktuelle Rückkehr zu den Practical Effects richtig gut, bitte mehr davon. Echte Stunts, Kulissen und was-weiß-ichs können definitiv mehr sein als ein Marketinginstrument, sie machen einen Film echter. Aber: Der Vorteil der zeitlosen Optik verschwindet mehr und mehr und CGI ermöglicht nach wie vor Dinge, die sonst undenkbar wären. Und wenn Computereffekte richtig eingesetzt werden, kann der normale Kinogänger schon heute nicht unterscheiden, was digital ist und was nicht. Deswegen steht für uns fest: CGI is here to stay.

Wir sind gespannt, ob der Trend zu immer größeren, immer bombastischeren Effekten anhält. Das beste Pro-Argument sind die Einspielergebnisse der großen Blockbuster, denn die erfolgreichsten Filme der letzten Jahre waren mit CGI nur so vollgestopft. Das kann kein Zufall sein! Aber wer weiß, vielleicht haben die Zuschauer irgendwann genug vom Trend zum Größeren, der die letzten 20 Jahre bestimmt hat. Egal ob Iron Man, die Star Wars-Prequels, Harry Potter, Avatar, den Transformers oder auch den neueren Terminator-Streifen. Alles wurde immer krasser, vertraute immer mehr auf den Computer. Da sind Mad Max, Mission Impossible und potentiell Star Wars eine angenehme Abwechslung, auch wenn hier zusätzlich zu den praktischen Effekten enorm viel CGI verwendet wird. Vielleicht ist aber genau diese Mischung die Zukunft der Filmindustrie. Egal was passiert, bitte achtet nur darauf, liebe Regisseure, dass nicht die Effekte im Mittelpunkt des Films stehen.

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