16.03.15

Fantasy aus Deutschland? Funktioniert!

Als Buchliebhaber kennt man das: Man hatte extrem viel Spaß an einer Geschichte, sich die Figuren und die Welt bis ins kleinste Details ausgemalt – manchmal entgegen den Beschreibungen des Autors – und lebte quasi schon in der jeweiligen ausgedachten Welt. Und dann wird die Verfilmung angekündigt. Großartig! Überschwellende Freude! Aber aus dem Kinosaal schreitet man eher häufig als selten mit einem Gefühl der Enttäuschung. Weil sich die Filmemacher mal wieder kaum an die Vorlage gehalten haben. Weil mal wieder alles ganz anders war, als man sich das vorgestellt hatte.

Wie wäre das eigentlich, wenn der Buchautor sein Werk selbst verfilmt? Auftritt Tommy Krappweis, der seinen Fantasyroman Mara und der Feuerbringer quasi in Eigenregie auf die große Leinwand gebracht hat. Bevor wir jetzt, rein subjektiv, über den Film sprechen, lassen wir den Autor/Regisseur selbst zu Wort kommen: “Leser des Buches werden alle Figuren und 80 Prozent der Handlung wiedererkennen. Die restlichen 20 Prozent sind neu oder variiert, weil ich natürlich nicht alles unterbringen kann und verdichten musste.” Scheinbar ist es selbst dem Buchautor nicht vergönnt, seinem Werk komplett treu zu bleiben … Trotzdem können wir aus der Erinnerung sprechend sagen: „Mara und der Feuerbringer“ ist erstaunlich nah an der Vorlage, von einigen Details mal abgesehen. Aber alles, was verändert wurde, macht erstens Sinn und stört zweitens nicht. Ganz ähnlich wie beim Vorbild aller Buchverfilmungen, dem Herr der Ringe. Auch hier hat man sich nicht komplett an die Vorlage gehalten – weit davon entfernt –, und dennoch gilt Peter Jacksons Trilogie als eine der besten Buchverfilmungen überhaupt. Apropos „Herr der Ringe“, das ist ein tolles Stichwort für einen Zusatzkasten.

Aber zurück zu “Mara und der Feuerbringer”. Bevor wir unsere Meinung zur deutschen Fantasy-Produktion in den virtuellen Raum werfen, sollten wir klären, worum’s überhaupt geht. Also: Protagonistin ist die 14-jährige Mara Lorbeer. Und Mara Lorbeer hat es nicht leicht. Weder in der Schule, wo sie von den coolen Kids fertig gemacht wird, noch zu Hause, wo sie ihrer eigentlich liebenswerten, leider aber esoterikgestörten Mutter und ihren Baumsprech-Seminaren ausgeliefert ist. Ständig wiederkehrende Alp- beziehungsweise Tagträume machen es auch nicht einfacher. Als ihr dann zu allem Überfluss ein sprechender Zweig sagt, sie sei eine Spákona (lies: Seherin) und solle mal eben den Weltuntergang verhindern, fühlt sie sich überfordert und ziemlich allein gelassen. Ein Glück, dass ihr der schrullige Professor für nordische Mythologie Reinhold Weissinger – großartig gespielt von Jan Josef Liefers – zur Seite steht. Warum eigentlich nordische Mythologie? Und was hat das alles mit dem Halbgott Loki, dem Drachentöter Siegfried aus der Niebelungensaga, dem namensgebenden Feuerbringer und Richard Wagner zu tun? Ach, das findet ihr am besten selbst heraus.

Auf diese kryptischen Andeutungen folgt unsere subjektive Einschätzung zu “Mara und der Feuerbringer”. Zunächst mal müssen wir ehrlich zugeben, dass wir nicht mit den größten Erwartungen im Kinosaal Platz genommen haben. Trotz großspuriger Infos wie dem 1.500 m² großen Greenscreen, der exzellenten Besetzung und der Verpflichtung des nicht ganz unbekannten Effekte-Gurus John Nugent haben wir es immer noch mit einem deutschen Fantasy-Film zu tun. Und dass die normalerweise eher mit C-Movies aus dem Genre Katastrophenfilme zu vergleichen sind, ist ein offenes Geheimnis. (Ausnahme: Die unendliche Geschichte!) Aber für Mara können wir Entwarnung geben, der Film fühlt sich überhaupt nicht nach Billigproduktion an. Im Gegenteil!

Besprechen wir zunächst das größte Fragezeichen: die Effekte. Ein Fantasy-Film lebt schließlich von der glaubwürdigen Darstellung seiner fiktiven Welt. Und dafür sind gute Computereffekte einfach unabdingbar, oder könntet ihr euch die Hobbit-Filme ohne CGI vorstellen? (Abgesehen davon, dass PJ auch etwas weniger CGI hätte nutzen können …) Wie schlagen sich die Mara-Effekte? Trotz dem überschaubaren Budget müssen wir sagen: gar nicht mal schlecht! Ein Vergleich mit Superhelden-Hollywood-Blockbustern drängt sich nicht auf, klar. Aber verstecken muss sich Mara deswegen nicht. Der ganze Film passt einfach zusammen, man merkt dem Projekt jederzeit die Leidenschaft der Macher an. Besonders hervorheben möchten wir den Feuerbringer, der trotz seiner eher schwierigen Buchbeschreibung (er besteht nur aus Feuer) sehr beeindruckend dargestellt wird – was auch der großartigen Synchronisation von Thomas Fritsch (Synchronstimme von Russell Crowe) zu verdanken ist.

Wie sieht es mit den Darstellern aus? Auch hier wurden wir positiv überrascht. Hin und wieder merkt man Hauptdarstellerin Lilian Prent an, dass es ihr erster Kinofilm ist. Mara verkörpert sie trotzdem glaubwürdig und bringt die stets präsenten Selbstzweifel gekonnt rüber. Gerade ihre inneren Monologe aus dem Off haben uns gefallen. Das große Highlight des Films ist aber ohne Frage Jan Josef Liefers. Ganz ehrlich, genau so haben wir uns Professor Weissinger beim Lesen vorgestellt! Das Aussehen, die Mimik und Gestik, natürlich die Stimme – alles passt perfekt zusammen! Wenn Tommy Krappweis jemals über ein Spin-off nachdenkt, dann bitte ein eigenes Buch oder Film für den Professor!

Kommen wir zur Frage der Fragen: Lohnt sich “Mara und der Feuerbringer”? Wir denken: ja. Auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt, als würde sich Tommy Krappweis’ Film an Kinder und Jugendliche richten, werden auch Erwachsene unterhalten. Okay, hier sehen wir nicht den Anwärter auf den Oscar für den besten Film. Aber wir sehen einen Film, der beweist, dass auch Fantasy aus Deutschland was taugen kann. Und wir drücken die Daumen, dass Teil 2 und 3 auch noch ins Kino kommen, denn da gibt es doch noch einige offene Fragen. Und als Buchliebhaber kennt man das: Nichts ist schlimmer als eine unvollständige Verfilmung einer Buchreihe, siehe beispielsweise Der Goldene Kompass.

Als kleiner Appettithappen hier der Trailer zum Film:

Alle weiteren Infos findet ihr auf der offiziellen Homepage. Hier gibt’s unter anderem spannende Bilder von den Dreharbeiten und Hintergrundinfos zur nordisch-germanischen Mythologie.

Wichtige Daten im Überblick:
Kinostart: 2. April 2015
Darsteller: Lilian Prent, Jan Josef Liefers, Esther Schweins, Christoph Maria Herbst, Eva Habermann, Alex Simon, Carin C. Tietze, Joseph Hannesschläger, Billy Boyd, Heino Ferch
Regie und Drehbuch: Tommy Krappweis
Produzent: Christian Becker
Produktionsland: Deutschland

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